Einzelhändler haben heute einen schweren Stand und die meisten klagen über schlechte Konsumlaune und nachlassendes Kundeninteresse. Wie das Handelsblatt berichtet, sollen die Umsätze laut einer Studie bis zum Jahr 2020 um 10% nachlassen. Ich fürchte der Rückgang wird noch viel heftiger ausfallen. Das Ladensterben greift in vielen Stadtteilen um sich, während nur wenige Straßenzüge in hoch frequentierten Innenstädten sich gut halten können.
Nachdem ich selbst wieder nach einer dreistündigen Einkaufsfahrt mit leeren Händen wieder zurückgekehrt bin, wünsche ich dem Einzelhandel ein zügiges Ende und möchte mal einige Mythen widerlegen, welche zum Schutze desselben immer wieder angeführt werden.
Lokaler Handel bietet mehr Service als Onlinehandel
Es ist eine absolute Wunschvorstellung, wenn man in der Erwartung einen Laden betritt dort eine kompetente Beratung zu erhalten. Die meisten bieten gerade das an, was gerade in den Regalen verstaubt und an sinnvollen Alternativen oder Ergänzungsangeboten fehlt es oft völlig. Den Verkäufern, oft geringfügig beschäftigt, geht oft jedwede Marktkenntnis abhanden. Wer zehn Minuten im Internet recherchiert verfügt meist über tiefere Kenntnisse als das Personal.
Vom Thema Umtausch hab ich bis dahin noch gar nicht gesprochen. Der ist im Einzelhandel oft nur möglich, wenn man seine Rechte gut kennt, die Konfrontation nicht scheut oder gleich mit einem Anwalt drohen kann. Im Onlinehandel sind die Umtauschmodalitäten äußerst großzügig und geschieht stets ohne Murren und Nachfragen.
Als positives Beispiel möchte ich einen, mir bekannten, lokalen Fahrradhändler entgegenstellen. Rennräder müssen den eigenen Körpermaßen entsprechend angepasst werden und eine angeschlossene Werkstatt bietet allerlei Service rund ums Rad. Bei solch serviceintensiven Gütern gebe ich dem Einzelhandel eine Chance. Aber auch in diesen Marktsegmenten zeigt sich, daß der größte Teil der Händler dagegen mit suboptimaler Performanz den leicht erhöhten Einzelhandelspreisen einfach nicht gerecht wird und zurecht zugrunde geht.
Kunden besichtigen Ware im Laden um anschließend online zu kaufen
Das gilt vielleicht für die ziemlich ahnungslose Kundschaft, für die der erste Kontakt zur Ware die 4-5 Modelle darstellen, welche gerade ausgestellt werden. Meine Wenigkeit geht genau umgekehrt vor und recherchiert zunächst online um sich anschließend zu erkundigen, ob die Ware in einem Laden vor Ort vorrätig ist. Hier werde ich regelmäßig enttäuscht. Selbst marktführende Geräte und renommierte Testsieger sind nicht erhältlich. Auf die Aussage „Ham wer nicht, könn wir aber bestellen“, reagiere ich allergisch. Bestellen können wir im Jahr 2016 auch alle selbst und wir müssen dafür nicht erst in die Innenstadt zuckeln und mit Abgasen die Luft verpesten.
Eine Studie von PwC kommt ebenfalls zu dem Schluß, daß es nicht nur mir so geht. Zwei Drittel aller Kunden haben bereits online recherchiert bevor sie in die Läden kommen. Das Beratungsunternehmen sieht hier eine große Chance für Einzelhandelsunternehmen, die meiner Meinung nach zu oft nicht genutzt wird!
Noch einmal damit es deutlich wird: zwei Drittel aller Kunden haben zuvor online gesucht und geben dem lokalen Handel eine Chance! Das zeigt wie krass Kunden unterschätzt werden und in was für einem Irrtum weinerliche Händler leben.
Ohne Einzelhandel werden die Innenstädte veröden
Das ist so eine weitere Schutzbehauptung und ist nur dazu geeignet die mangelnde Fantasie derer zu zeigen, die es als Argument anführen. Stellt euch Innenstädte ohne Handel vor, ohne den Zuliefer- und Kundenverkehr den es nach sich zieht. Ohne Parkplätze und durch Blechkarossen zugestellte Flächen. Der öffentliche Raum könnte einer völlig neuen Nutzung gewidmet werden. Ich sehe Biergärten, begrünte Flächen, spielende Kinder, Begegnungsorte für Menschen. Durch das Verschwinden vieler Läden würde dies erst möglich. Es steht nirgendwo geschrieben, daß die Innenstädte nur dem Kommerz dienen müssen und Begnegnungsstätten sind, seien wir ehrlich, wirklich sehr selten geworden. Gute Gastronomie wäre sicherlich nicht weit und würde nach wie vor noch gute Geschäfte machen.
Zunehmender Lieferverkehr durch Onlinehandel verpestet die Umwelt
Die Anzahl der Kleinlaster, welche in den Städten täglich unterwegs sind, hat sich schon sichtlich erhöht. Mehr Kleinlaster bedeuten mehr Abgasausstoß in den Städten, oder nicht? Diese ausgemachte Milchmädchenrechnung kann wirklich nur jemand aufmachen, der eine Größe ganz bestimmt nicht kennt: die Ökobilanz des Einzelhandels!
Natürlich produzieren Kleinlaster auch Abgase, dagegen muß man allerdings die eingesparten Gase derer gegenrechnen, welche beliefert werden und daher nicht mit dem Auto in die Innenstädte fahren. Da ein Kleinlaster meist recht viele Kunden beliefern kann spart das eine Menge. Die Laster wiederum erhalten ihre Ware aus Großlagern. Der Zwischenhandel und die dazu notwendigen Transportwege entfallen komplett.
Das alles führt zu großen Einsparungen, die dem Geldbeutel des Kunden zugute kommen und auch die Umwelt kann aufatmen! Das Thema Elektromobilität haben wir da noch völlig ausgeklammert aber auch das wird sich im Lieferverkehr noch viel früher als im privaten Individualverkehr durchsetzen. Lieferung per Drohne wird ebenfalls bereits an vielen Orten getestet.
Die Ökobilanz des Einzelhandels ist nur schwer zu bestimmen aber eines ist sicher: diese wird vernichtend ausfallen gegenüber Großhändlern mit zentraler Lagerhaltung und effizienten Zustellungsverfahren.
Hat der lokale Handel noch eine Zukunft?
Wer besonders preissensitiv einkauft wird online stets bessere Angebote finden. Der Einzelhandel muß dem mit ausgezeichnetem Service und guten Ideen begegnen um einen Mehrwert und ein Einkaufserlebnis zu schaffen, welches es online nicht und niemals geben wird. Da besteht die große Chance des Einzelhandels. Ich behaupte kühn, daß rund 75% aller Händler dies nicht verstanden haben und mit rückgängigem Kundeninteresse zu kämpfen haben.
Wie ist Ihre Meinung?
Haben Sie noch ein Argument, welches wir hier auseinander nehmen können oder haben Sie Wünsche, die Sie Händlern mal mitteilen möchten damit sie es vielleicht hier lesen werden? Ich habe beschlossen bis auf Lebensmittel fast alles online zu bestellen. Wie machen Sie das? Auf eine Diskussion bin ich sehr gespannt!
Interessanter Beitrag.